Schwerpunkt der Bezirksverordnetenversammlung am 25. August war der Bebauungsplan 11̵ 47a Karlshorst–West, also die Gewerbeflächen an der Rummelsburger Bucht einschließlich der Fläche, die für das GuD– Kraftwerk vorgesehen ist.


Um es vorweg zu nehmen –, dieser Plan wurde mehrheitlich beschlossen, obwohl viele Fragen offen sind. Einige davon sind in meinem folgenden Redebeitrag enthalten:

Sehr geehrter Herr Vorsteher, sehr geehrte Bezirksverordnete, sehr geehrte Gäste!

Mitten in unserer eigentlichen Sommerpause haben wir uns hier getroffen, um eine Entscheidung zu treffen, die für die nächsten 50 Jahre oder vielleicht sogar noch länger, von Bedeutung sein wird. Um solche zeitlichen Dimensionen geht es beim Bebauungsplan 11–47a. Entsprechend umfangreich ist auch das Material, das sicherlich in der kurzen Zeit nur wenige von uns vollständig hatten lesen und auch noch verstehen können.

Sommer – das ist das Stichwort: Da das Wetter so schlecht ist, wie wir alle es kaum mit den Monaten Juli und August in Verbindung bringen mögen, wird einem der Begriff Klimawandel immer klarer. Und nun gibt es Bestrebungen, über einen Plan zu beschließen, dessen Umsetzung mit dazu beitragen wird, den Klimawandel voranzubringen. Ja, das ist der eigentliche Kern des Ganzen.

Lassen Sie mich das von zwei Seiten näher beleuchten – Nutzung innerstädtischer Potenziale in Wassernähe und geringstmögliche Umweltbelastung durch das GuD–Kraftwerk.

Im Jahr 1993 wurde in der damaligen BVV der Flächennutzungsplan beraten und beschlossen. Ich war damals dabei und weiß daher, dass wir Beteiligten innerhalb kurzer Zeit darüber befinden mussten, welche Nutzungen für welches Gebiet des Bezirkes vorgesehen und rechtlich festgesetzt werden sollten. Und das, obwohl bereits die damit verbundenen Begriffe erst einmal verinnerlicht und verstanden werden mussten. Das war viel Arbeit, die von allen verantwortungsbewusst durchgeführt wurde. So berieten wir auch über die Fläche, die Gegenstand dieses B–Plans ist. Um es kurz zu sagen, niemand von uns kam damals auf die Idee, dass wir an der Nutzungsart dieser Fläche etwas wesentlich ändern wollten. So wurde sie als Industriestandort festgelegt.

Nun hat sich die Erde inzwischen weitergedreht, im Jahr 2007 gab es eine entscheidende Veränderung – Sie erinnern sich, dass seitdem erstmals in der Geschichte mehr als die Hälfte der Menschheit in Städten lebt. Zwischen der zunehmenden Verstädterung und dem Bewusstwerden des Klimawandels scheint es einen Zusammenhang zu geben. So verwundert es einen dann auch nicht, dass immer mehr Stadtbürger einfordern, den städtischen Raum naturnah zu erhalten oder versiegelte Flächen wieder zurück zu gewinnen, wie zum Beispiel im Nachbarbezirk Friedrichshain. Es wird einem immer bewusster, wie wichtig die Verbindung zwischen Vegetationsflächen und Wasser ist – für die Natur und für uns, den Menschen als Teil der Natur.
Solche Gedanken, sehr geehrte Bezirksverordnete, hatten wir damals nicht, als wir über den Flächennutzungsplan berieten. Deshalb haben wir auch niemals diskutiert, ob dieses Geschenk Fluss mit seinem Ufer mitten in der Stadt anders und damit besser genutzt werden könnte als durch Industrie und Gewerbe. Nun sind die Zeiten der Industrieromantik ein für allemal vorbei, statt dessen kommen uns die Romantiker des 19. Jahrhunderts mit ihren Warnungen in den Sinn. Damals hatte niemand auf sie gehört, die Folgen sind immer stärker spürbar. Deshalb kann es heute nur ein großes Nein zu dem „Weiterso“ geben.

Inzwischen haben sich auch volkswirtschaftliche Strukturen verändert, etwas, was wir Anfang der 90er Jahre ebenfalls nicht berücksichtigt hatten. Inzwischen sind wir klüger und wurden uns die veränderten Produktions– und Wirtschaftsstrukturen bewusst, die sich wie in allen europäischen Ländern auch in unserer Stadt vollzogen haben. Tragen wir dem Rechnung und zeigen wir, dass wir volkswirtschaftliches Denken mit Lichtenberger Handeln in Übereinklang bringen können! Verwandeln wir ehemalige Industrieflächen in naturnahe Lebensräume, die man mit Wohnen und umweltverträglichem Arbeiten koppeln kann! Dieser kluge Gedanke wurde von engagierten Bürgern auf Versammlungen und in den Einwendungen eingebracht und ist nachlesbar.

Nun fragt sich so mancher sicherlich, warum darauf nicht im Zusammenhang mit den Städtebaulichen Leitlinien aufmerksam gemacht worden war. Auch das lässt sich einfach erklären: Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen konzentrierte sich damals darauf, solche Leitlinien zu verabschieden, die die Sauriertechnologie Steinkohlekraftwerk zu verhindern halfen.

Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die einst an dem Standort vorgesehene Müllverbrennungsanlage. Alle sind froh, dass sie damals nicht gebaut wurde. Was jedoch vermutlich kaum jemand weiß, ist, dass wir das einigen wenigen engagierten Bürgern aus Karlshorst und extra gegründeten Verbänden zu danken haben. Diese hatten es Ende der 90er Jahre erzwungen, dass ein erfahrener Umweltmediator zwischen den Konfliktparteien – hier die Bürger, dort die BEWAG, der Vorgängerin von Vattenfall, vermittelte. In den Beratungsrunden wurde dann immer deutlicher, dass die von der BEWAG vorgelegten Zahlen über die zu erwartenden Müllmengen nicht stimmten, sondern viel zu hoch angesetzt gewesen waren, so dass die geplante Müllverbrennungsanlage viel zu groß gewesen wäre. Wohlgemerkt – einige wenige Bürger hatten sich mit der Materie vertraut gemacht und ihre Zeit und Kraft geopfert, um für das Allgemeinwohl auch von uns, die wir hier zusammen sind, zu kämpfen. Und es stellte sich heraus – das war richtig gewesen. Soweit zu dem Argument von Herrn Geisel, ich zitiere:

„5900 Bürger haben sich auf der Homepage über das Kraftwerk informiert, 17 haben Stellungnahmen abgegeben. Eine Volksbewegung ist da nicht im Gange.“ Sehr geehrter Herr Geisel, es ist nicht erheblich, wie viele Menschen das Richtige sagen, sondern es ist wichtig, dass es gesagt wird. Wir alle sollten lernen, das besser zu unterscheiden.

Ähnliches trifft auch auf den Hauptgegenstand dieses B–Plans, das GuD–Kraftwerk, zu. Mit diesem Thema haben sich einige in diesem Raum sehr intensiv und verantwortungsbewusst beschäftigt und ein Mann, der sich fachlich in der Materie auskennt, da er viele Jahre selbst Kraftwerke gebaut hat. Wer wollte behaupten Sinnvolleres zu Chancen und Gefahren unterschiedlicher Technologien und den Stand der Technik darzustellen als er. Ich vermute, im gesamten Bezirk Lichtenberg und auch in Gesamtberlin gibt es nur sehr wenige, die über ein derart profundes Wissen zu diesem Thema verfügen. Er ist also einer der wenigen weit und breit, die das Richtige dazu sagen können. Um darauf fußend zukunftsfähige Entscheidungen zu treffen, braucht es keine Volksbewegung, sondern einzig der Berücksichtigung der Fakten durch die Entscheidungsträger hier im Raum. Und das sind wir, die Bezirksverordneten.

Wichtige Fakten sind: Die bestmögliche Bedarfsabdeckung gelingt mit einem Verbundnetz, in dem die Bedarfsspitzen durch Zuschaltung kleinerer Kraftwerke abgedeckt werden. Ein solches Konzept müsste im Rahmen des Klimaschutzkonzeptes als Grundlage für die Gewinnung von Investoren erarbeitet werden und es kann nicht umgekehrt sein, dass wir darauf warten, ob mal zufällig ein Investor nachfragt, ob daran Interesse besteht.

Der größtmögliche Gesamtwirkungsgrad erfordert unter anderem eine Standortwahl, die das Bodenprofil vom Kraftwerk bis zum Endverbraucher berücksichtigt. Das Hochpumpen einer so großen Menge des Wärmeträgers, wie sie bei der geplanten Dimension des GuD–Kraftwerks an der Rummelsburger Bucht von dort bis nach Ahrensfelde anfallen würde, verbraucht sehr viel Energie, die man bei einem hochgelegenen Standort des größten Kraftwerks um einiges minimieren kann. So sind die Werte für den Standort Rhinstraße wesentlich günstiger. Noch günstiger wäre es, wenn man oben im Norden, in der Nähe von einem Großteil der Endverbraucher ebenfalls ein kleines Kraftwerk bauen würde. Doch dazu gibt es keine Aussage, da unterschiedliche Standorte nicht nach technisch–technologischen Fakten, sondern nach Eigentum untersucht wurden. Noch enger konnte man den Denk– und Untersuchungshorizont anscheinend nicht mehr fassen! Gratulation! Auch an die zuständigen Senatsstellen!

Was nun den CO2–Ausstoß betrifft, so darf man ihn nicht am vorhandenen Kraftwerk messen, was gegenwärtig getan wird. Sondern man muss ihn an dem bislang besten in Berlin Mitte messen. Dessen Technologien sind inzwischen 15 Jahre alt, sie wurden verbessert und der CO2–Ausstoß weiter vermindert. Und nur das kann der Maßstab sein.

Nun haben wir uns in den beiden Ausschüssen ausführlich erläutern lassen können, dass wir nur über einen B–Plan befinden können und nicht über die Technologien. Da kommt mir doch prompt das Plakat von Klaus Staeck vor mein inneres Auge, auf dem vor dem Hintergrund von rauchenden Fabrikschloten ein Arbeiter und der Fabrikbesitzer folgenden Dialog führen:
Der Arbeiter: „Wenigstens die Luft können sie uns nicht nehmen.“
Der Fabrikbesitzer: „Aber ihren Giftgehalt bestimmen wir.“

Das Plakat ist einige Jahrzehnte alt, die Fakten gibt es immer noch.

Sehr geehrte Bezirksverordnete, fordern wir deshalb die Definition des maximalen CO2–Ausstoßes des neuen Kraftwerkes, bezogen auf eine Einheit thermische Energie, damit wir die bestmögliche Luft atmen können. Um das formulieren zu können, müssen wir uns damit beschäftigen und können den B–Plan 11–47a schon aus diesem Grunde heute nicht beschließen.

Diesen Beitrag können Sie sich hier auch als    pdf–Datei   herunterladen.





Zurück zum   Anfang
04.12.2011