Wie habe ich mir selbst geholfen? Wesentliche Phasen
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Nachdem Frau Dr. Hoffmann mir bestätigt hatte, dass die von ihr für das Beschwerdebild verordneten Übungen
keinerlei Spannungszunahme in der Stützmuskulatur bewirkt hatten, suchte ich nach einem
anderen Übungsansatz. Dieses Suchen hatte ich offensichtlich so sehr verinnerlicht, dass ich auch
unterbewusst ständig grübelte. So kam ich Ende Oktober 1996 auf die Frage: Wie gehen die Models bzw. wie
schieben sie das Becken so weit vor, wie man das normalerweise nirgends sieht? Beim Ausprobieren stellte ich fest,
dass die rechte Beckenhälfte normal vorne positioniert und die linke Beckenhälfte wie immer nach
hinten verdreht war. Sie bewusst vorzudrücken gelang nur kurzzeitig und mit relativ großer Anstrengung.
Dabei fiel mir auf, dass mein gerade
geschnittenes Kleid auf einmal auch gerade hing, was ich noch niemals zuvor erlebt hatte. Als ich links mit der Spannung nachließ,
war die linke Beckenseite sofort wieder nach hinten gedreht, ich stand wieder schief und auch mein Kleid hing wieder schief.
Um das genau nachvollziehen
zu können, wiederholte ich dieses Vordrücken im Stehen so viele Male, bis ich es nicht mehr vergessen konnte.
Damit begann die Entwicklung eines neuen Übungsprogramms.
- Diese einfache Übung absolvierte ich im Liegen, also in Rücken–, Bauch– und Seitlage, im Stehen
und im Sitzen. Ganz allmählich war eine Spannungszunahme spürbar. Interessant war dabei, dass diese doch so
einfache Bewegung, eigentlich waren es fast nur leichte Muskelkontraktionen, in den ersten Monaten oftmals richtig
geweckt werden mussten. Das heißt, das Bewegungsmuster war instabil und musste über einen längeren Zeitraum
bei jedem Üben wieder aus der Versenkung geholt und stabilisiert werden.
- Da die linksseitige Stützmuskulatur bei der ersten Untersuchung durch Frau Dr. Hoffmann nicht einmal mehr kontrahiert
hatte, also schlechter als bei einem Fötus im Mutterleib war, übte ich vor allem in Situationen ohne Belastung,
also im Liegen oder im Sitzen, nur manchmal auch im Stehen. Jedoch nicht beim Gehen.
Mit anderen Worten: Ich sah die einzige Möglichkeit darin, bewusst so zu üben, wie Säuglinge das unbewusst tun:
Säuglinge machen über den Tag verteilt
immer wieder die gleichen Bewegungen. Anfänglich bleiben sie im wesentlichen so liegen, wie man sie hingelegt hat.
Eines Tages drehen sie sich unvermutet auf dem Wickeltisch um, wenige Wochen später versuchen sie, sich an den
Gitterstäben ihres Bettchens hoch zu ziehen, dann machen sie das immer öfter, bis sie stehen können. Bald
erobern sie sich durch Krabbeln neue Bereiche der Wohnung und so weiter.
- Das heißt, dass durch das ständige Wiederholen gleicher kleinteiliger Bewegungsabläufe das Gehirn stimuliert
wird und neue Synapsen bildet, die zu anderen Bewegungen führen.
Die Praxis bestätigte meine Vermutungen: Durch das viele Wiederholen der genannten Kontraktionen entstanden neue
Übungen wie von selbst.
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Bald bemerkte ich dann auch weitere Fähigkeiten der Gesäßmuskulatur auf der rechten Seite, die links
fehlten. So entstanden weitere kleinteilige Übungen.
- Ich übte täglich 6 bis 14 Stunden. Wen das verwundert, der sollte sich vor Augen führen, dass
man sowohl das Spielen von Musikinstrumenten als auch im Leistungssport, im Ballett und in der Akrobatik täglich viele
Stunden üben muss. Dort wird sich niemand über diese Angaben verwundern. Ein ehemaliger 1. Konzertmeister eines
bekannten Orchesters hatte die Gelegenheit, ein Jahr am renommierten Moskauer Konservatorium studieren zu dürfen – er übte
täglich 11 Stunden. Ich war zu Hause, also konnte ich auch üben.
- Im Frühjahr 1997 fiel mir eine Werbung über den bereits zu Ostzeiten recht bekannten, für mich
seinerzeit nicht erreichbaren Kurort Piestany in der Slowakei auf. Das von mir gewählte Hotel bot die Möglichkeit,
sich im Verlauf des Tages auch selbstbestimmt in einem Thermalbecken aufzuhalten. Die dabei
entstandenen Übungen bewirkten zusammen mit den dortigen Anwendungen Schmerzlinderungen und Verbesserungen im Gangbild.
Ergänzt durch eine verordnete Reha–Maßnahme bemerkte ich bereits im Herbst 1997 kleine Verbesserungen.
- Nach ca. 2 Jahren mit diesem neuen Übungsansatz und der neuen Methode wollte ich Anfang 1999 wissen, welche Muskeln ich da
eigentlich schwerpunktmäßig trainiere und kaufte mir den Taschenatlas für Anatomie von Platzer, Teil Bewegungsapparat. Das
war genau das richtige Buch für mich – der Buchhändler gehörte zu den wenigen Leuten, die mir richtig zuhörten.
Der Vorteil dieses Buches besteht darin, dass es nur den notwendigsten Text enthält und die Muskeln in zweifacher Weise dargestellt sind:
- in ihrer natürlichen Lage und Gestalt
- in ihrem Verlauf einschließlich ihrer Ursprungs– und Ansatzflächen.
So konnte ich durch das inzwischen gut entwickelte Körpergefühl erst einmal herausfinden, welche Muskeln ich eigentlich seit Ende 1996
trainierte. Es war eindeutig: Es waren die niemals zuvor und bis heute in dieser Stützfunktion von
keinem Mediziner thematisierten sogenannten lateralen Rotatoren ((Musculus obturator internus, M. o. externus,
M. gemellus superior, M. g. inferior sowie M. quadratus femoris). Eine andere Schlussfolgerung ließ sich nicht ableiten.
- Insgesamt habe ich 27 Wochen von 1997 bis 2001 in verordneten oder selbst bezahlten Reha–Maßnahmen zugebracht. Dazu kamen
zwischen Mai 2000 und September 2004 weitere 14 Wochen bei Bekannten hier in Berlin, die zufälligerweise ein beheizbares Wasserbecken besitzen.
Meine Mutter meinte mal, ein solches Übungspensum könne man niemandem zumuten. Meine darauf folgende Reaktion, dass das auch nicht
notwendig wäre, wenn die wirklich für das Stehen und Gehen wichtigen Muskeln endlich diagnostiziert und therapiert würden, dass man
das richtig erforschen müsste, leuchtete ihr dann wieder ein.
- Bei all dem Üben ist mir immer wieder aufgefallen, dass ich nach jeweils 20 bis 90 minütigem Absolvieren meines selbst
entwickelten Wasserübungsprogramms bereits beim Verlassen der beheizten Wasserbecken oder
spätestens nach einer Erholungspause von wenigen Stunden leichter gehen konnte als zuvor. Dieses Ergebnis war unabhängig
von der Mineralienzusammensetzung des Wassers. Die Mindesttemperatur für die Übungen betrug allerdings 33°C. Mir ist nach dem
Lesen der Bücher „Faszienfitness“ von Robert Schleip sowie „Bonusjahre“ von Gerd Schnack und Frank Elstner
klar geworden, dass ich im Wasser und bei der Gartenarbeit vor allem die Faszien trainiert habe. Und dass die Behauptung, die Ergebnisse
von Kuren würde man
erst nach mehreren Wochen spüren, zumindest auf den Prüfstand gehören – ich kann sie nicht bestätigen.
- Nach ca. 5 Jahren des systematischen Trainings konnte ich im Frühjahr 2002 langsam wieder beginnen, am Leben teilzunehmen und
meinen Aktionsradius zu erweitern.
- Im Laufe der Jahre habe ich immer wieder mal eine neue Trocken– und auch Wasserübung in das Programm mit aufgenommen.
Ein neuer Entwicklungsschub war seit Anfang des Jahres 2015 notwendig, nachdem ich zuerst eine mehrwöchige umfassende Behandlung
von Triggerpunkten und Verspannungen und die anschließende Grippe überwunden hatte. Das ergänze ich an dieser Stelle
zu gegebener Zeit.
- Um all das, was ich übe, besser kontrollieren zu können und auch wichtige Übungen nicht wieder zu vergessen, habe ich
sehr früh begonnen, alles systematisch aufzuschreiben – für jeden Monat sind das seit mehr als 20 Jahren jeweils 2 vorne und hinten
beschriebene Übungslisten. Es dürfte recht aufschlussreich sein, diese einmal auszuwerten. Dazu kommen dann noch die Listen, die
ich zur Dokumentation des Wassertrainings führe.
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Letzte Änderung: 01.10.18